Sebas­tian wirft Fragen auf
18. September 2017

Am 15. September 2017, 9 Tage vor der Bundes­tags­wahl, muss eine regio­nale Zeitung zur Hand nehmen, wer sich über ein für die Zukunft des Landes entschei­dendes Thema infor­mieren möchte:

Fragen nach der grund­sätz­li­chen Möglich­keit, der Sinnhaf­tig­keit und den Auswir­kungen der “Energie­wende auf Basis von Wind und Sonne” werden im Wahlkampf praktisch nicht disku­tiert, die durchaus unter­schied­li­chen Positionen der Parteien kaum beleuchtet.

Dabei bietet ein gewisser “Sebas­tian” allen Anlass dazu. Diesem wurde die Rhein­zei­tung gerecht.

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          Leseprobe, Unter­strei­chungen durch VERNUNFTKRAFT. 

Am Mittwoch (…) in der Zeit zwischen 11 und 12 Uhr speisten die Windparks (…) zusammen über 37.800 Megawatt­stunden Strom in die Netze ein – mehr als die Hälfte des gesamten Verbrauchs (..). Solche Tage zeigen die Grenzen eines Strom­netzes im Umbau auf: Die umwelt­freund­liche Strom­pro­duk­tion aus Wind und Sonne schwankt stark mit Wetter und Tages­zeit, lässt sich aber bisher schlecht speichern. Deshalb werden Gas und Kohle vorerst weiter gebraucht. Deutsch­land produ­ziert also parallel mit zwei Systemen – und damit am Mittwoch deutlich mehr als eigent­lich gebraucht wurde (…).

Wie viel Strom wurde am Mittwoch über den Bedarf hinaus produ­ziert?

Um 12 Uhr mittags waren es gut 5500 Megawatt zu viel – bei knapp 72.000 Megawatt Verbrauch. Das Überan­gebot setzte auch die Strom­händler unter Druck. Die Preise stürzten von norma­ler­weise um die 30 Euro pro Megawatt­stunde auf nicht mehr kosten­de­ckende knapp 11 Euro ab. Zugleich expor­tierte Deutsch­land kräftig Strom in die Nachbar­länder.

Was tun die Strom­netz­ver­ant­wort­li­chen an solchen Tagen?

Sie müssen vor allem dafür sorgen, dass das Leitungs­netz dem Druck stand­hält. Dafür weisen sie konven­tio­nelle Kraft­werke im Norden an, vom Netz zu gehen. Gleich­zeitig werden in Reserve gehal­tene Kraft­werke im Süden Deutsch­lands hochge­fahren, um dort die Versor­gung zu sichern. Und wenn das nicht reicht, müssen Windkraft­an­lagen zur Siche­rung der Netze gedros­selt oder ganz abgeschaltet werden – was am Mittwoch nach Angaben der Netzbe­treiber Tennet und 50Hertz auch passierte.

Wer bezahlt das?

Die Kosten für solche Notein­griffe tragen die Verbrau­cher über die Netzent­gelte in ihrer Strom­rech­nung. Im windrei­chen Jahr 2015 waren das etwa 1,1 Milli­arden Euro, 2016 etwas weniger. In den kommenden Jahren könnte die Summe noch deutlich steigen, warnt die Bundes­netz­agentur.

Was hilft dagegen?

Aus Sicht der Netzbe­treiber vor allem ein schneller und wirkungs­voller Ausbau der großen Strom­lei­tungen in Nord-Süd-Richtung. Dabei gibt es nach langen Anlauf­schwie­rig­keiten Fortschritte. (…) Auch künftig brauche es weitere Fortschritte beim Netzausbau, (…) sagte Bundes­wirt­schafts­mi­nis­terin Brigitte Zypries (SPD).

       

Auf die “Umwelt­freund­lich­keit” insbe­son­dere des Windstroms haben wir, gemeinsam mit jährlich 250.000 Fleder­mäusen, in ihrer Existenz gefähr­deten Arten und unter Polizei­schutz zerstörten Wäldern, eine andere Sicht. Auch die Sicht der Netzbe­treiber teilen wir nicht. Im Übrigen gibt der Artikel die Problem­lage jedoch angemessen wieder, wie wir im Folgenden noch einmal illus­trieren möchten.

Die nachste­henden Diagramme sind allesamt der Webseite von AGORA-Energie­wende entnommen, einer Gruppie­rung, mit der wir uns schon mehrfach befasst haben, und die in Fragen der “Energie­wende” sicher nicht zur Schwarz­ma­lerei neigt.

Im 1. Diagramm ist die Leistungs­ein­spei­sung der Windener­gie­an­lagen in hell- und dunkel­blauer Farbe dokumen­tiert. Die gelben Spitzen entspre­chen der Einspei­sung der Photo­vol­ta­ik­an­lagen.

Abbil­dung 1. Quelle: Agora.

Im 2. Diagramm ist das Zurück­fahren der konven­tio­nellen Anlagen (vor allem Stein­kohle und Braun­kohle) während der Zeiträume hoher Windenergie-Einspei­sung zu erkennen.

Abbil­dung 2. Quelle: Agora.

Im 3. Diagramm geht – entspre­chend der hellblauen Linie – der Börsen­preis in den Keller (weit unter­halb des Herstel­lungs­preises bis zu negativem Strom­preis unter – 10 €/MWh).

Abbil­dung 3. Quelle “Agora”.

Im 4. Diagramm wird das Verhältnis zwischen Export­strom und Import­strom darge­stellt (oberhalb und unter­halb der Nulllinie).

Abbil­dung 4. Quelle: “Agora”.

Vergleicht man die Struktur der Leistungs­ein­spei­sung von “Sonne und Wind” (grüne Fläche) z.B. in Abb. 3  mit dem Verlauf der Exporte im gesamten Zeitraum (Spitzen der Fotovol­taik und Anstiege der Windenergie), so ist leicht zu erkennen, welcher Strom expor­tiert wird.

Diese Betrach­tung sollte auch im Vergleich zum Börsen­preis (Abb. 3) erfolgen: Am 14. September wurden zusätz­lich zu den EEG-Umlagen noch 10 €/MWh vom deutschen Strom­kunden bezahlt, um den Strom über den Export loszu­werden (negativer Strom­preis).

Umgekehrt ist im Verlauf der letzten 30 Tage wieder klar zu erkennen, dass oftmals eine sehr geringe Leistungs­ein­spei­sung über “Sonne und Wind” erfolgt und die konven­tio­nellen Anlagen (Abb. 2) mit bis zu 55 000 MW die Haupt­last des Strom­ver­brauchs tragen.

Politi­sche Aussagen à la “Kohle-Ausstieg bis 2030!” sind vor diesem Hinter­grund nicht ernst­zu­nehmen bzw. als Clown-Sprache zu erkennen:

Der Strom­so­ckel der Kernkraft­werke von 10 000 MW (Abb. 2) wird in den nächsten 5 Jahren sukzes­sive abgeschaltet sein. Neue Kohle­kraft­werke wird aus Mangel an Kapital und aus Wirtschaft­lich­keits­gründen  kein privates Unter­nehmen mehr bauen können. Absehbar wird in wenigen Jahren nach dem Staat gerufen werden.

Trotzdem heben fast alle Parteien die “Erfolge der Energie­wende” hervor, obwohl die Grenzen der Netzsta­bi­li­sie­rung erreicht bzw. überschritten sind. Jede weitere Windener­gie­an­lage verschärft das Problem. Im Übrigen helfen zusätz­liche Leitungen in der propa­gierten “Welt der regene­ra­tiven Energien” nur zur Ablei­tung von Strom­spitzen (= Müllför­der­bänder).

Was wird bei mehrtä­giger Windflaute im Winter (10 Tage Dunkel­flaute im Januar 2017) und in der Nacht in diese Leitungen einge­speist?

Dieser und anderer Fragen wird sich eine neue Bundes­re­gie­rung stellen müssen.

Durch­dachte und ideolo­gie­freie Antworten auf ähnliche Fragen bietet in diesen Tagen übrigens Professor Joachim Weimann, den wir bereits gute zwei Jahre zuvor in Branden­burg begrüßen durften. Im August 2017 gab er Jörg Rehmann ein ausführ­li­ches Inter­view.

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